Route #1 an der Westküste
"It is the most beautiful drive in the world."
(Condé Nast Traveler über den Highway 1)
Als wir in Los Angeles starten, haben wir keine Ahnung, wie sehr uns diese Straße verändern wird. Der legendäre Highway 1, auch bekannt als "Pacific Coast Highway", schlängelt sich über gut 1000 Kilometer an der Küste Kaliforniens entlang – von Meer, Wind und Zeit geformt. Unser Abschnitt führt von Los Angeles bis San Francisco – und jede einzelne Meile ist ein Erlebnis.
Los Angeles verabschiedet uns wie erwartet: laut, chaotisch, ein bisschen zu heiß – und mit viel zu viel Verkehr. Doch kaum sind wir aus dem städtischen Wahnsinn heraus, öffnet sich die Landschaft. Der Pazifik blinkt links von uns, die Straße klebt an Hügeln, die voller Wildblumen stehen, und plötzlich atmen wir durch.
Malibu ist unser erster Stopp – ein Ort, von dem wir uns etwas mehr "Kalifornien-Glanz" erwartet hatten. Zwar reihen sich hier Villen an den Hang, und der Surfer-Vibe ist spürbar, aber der öffentliche Zugang zum Strand ist stark begrenzt und die Promis sieht man höchstens hinter getönten Scheiben vorbeifahren. Trotzdem: Der El Matador State Beach mit seinen Felsbögen und Grotten ist ein echter Geheimtipp – fotogen und wildromantisch.
Santa Barbara, etwa zwei Stunden weiter nördlich, entschädigt uns vollends. Die spanisch geprägte Architektur, das historische Mission-Gelände, die Palmenallee an der Uferpromenade – hier hätten wir länger verweilen können. Besonders der Sonnenuntergang am Stearns Wharf mit einem kalten Craft Beer in der Hand war ein Moment, der hängenbleibt.
Ein Stück weiter erreichen wir San Luis Obispo, charmant und entspannt, mit einer kleinen Innenstadt, die vor Studentenleben nur so brummt. Hier machen wir Halt, um den skurrilen Bubblegum Alley zu sehen – eine enge Gasse, an deren Wänden hunderttausende benutzte Kaugummis kleben. Eklig? Ja. Aber irgendwie auch kurios und kreativ.
Kurz vor dem Big Sur passieren wir das extravagante Hearst Castle, erbaut vom exzentrischen Zeitungsverleger William Randolph Hearst. Ein surrealer Ort – opulent, überdimensioniert und mit einem der schönsten Ausblicke auf den Ozean, den man sich vorstellen kann. Wir verzichten auf eine Führung (nicht ganz günstig), aber allein die Außenansicht ist den Stopp wert.
Dann kommt er, der Teil der Route, auf den wir uns am meisten gefreut haben – und zu Recht. Der Abschnitt zwischen San Simeon und Carmel, besser bekannt als Big Sur, ist ein Naturerlebnis sondergleichen. Die Straße windet sich entlang steiler Klippen, dichte Redwood-Wälder stehen wie Wächter über der Straße, und immer wieder öffnet sich der Blick auf das endlose Blau des Pazifiks.
Wir wandern in den Pfeiffer Big Sur State Park, wo wir das satte Grün der Mammutbäume genießen – ein wohltuender Kontrast zur trockenen Hitze des Südens. Der Weg zu den McWay Falls, einem Wasserfall, der direkt auf den Strand fällt, ist kurz, aber spektakulär. Leider ist der Zugang zum Strand gesperrt – ein bisschen enttäuschend, doch das Panorama macht es wieder wett.
Carmel-by-the-Sea wirkt fast wie ein europäisches Künstlerdorf, mit verwinkelten Gassen, kleinen Galerien und zauberhaften Cottages. Keine Neonreklame, keine Fast-Food-Ketten – stattdessen fühlt sich alles handgemacht und liebevoll an. Besonders gefallen hat uns der Spaziergang am Carmel Beach, wo Surfer auf den Wellen reiten und Hunde frei über den Strand toben.
Nur wenige Kilometer weiter liegt Monterey, bekannt durch John Steinbecks Roman Cannery Row – und genau dort befinden wir uns nun, zwischen alten Fischkonservenfabriken, die heute Galerien, Boutiquen und Cafés beherbergen. Das Monterey Bay Aquarium ist teuer, aber absolut sehenswert – besonders der riesige Kelpwald und die Quallenausstellung hinterlassen bleibende Eindrücke.
Den Abschluss unserer Reise bildet die Fahrt auf dem 17-Mile Drive, einer kostenpflichtigen Panoramastraße, die sich durch Golfplätze, Villenviertel und vorbei an ikonischen Küstenfelsen wie der Lone Cypress schlängelt. Touristischer geht es kaum, und dennoch: Die Ausblicke sind schlicht grandios.
Als wir in San Francisco einrollen – Nebel über der Golden Gate Bridge, Möwen kreischend über den Docks – sind wir erfüllt von Bildern, Gerüchen und Geschichten.
Die Route #1 ist zurecht ein Klassiker. Sie bietet eine der spektakulärsten Straßenfahrten der Welt – aber nicht ohne Herausforderungen. Der Verkehr kann nervig sein, viele Highlights sind überlaufen, und nicht jeder Ort entlang der Strecke hält, was der Name verspricht. Dennoch: Für Individualreisende, Naturliebhaber und Geschichtensammler ist diese Route ein einmaliges Erlebnis. Wer mit offenen Augen fährt, entdeckt nicht nur Landschaft, sondern auch Geschichte, Exzentrik und ganz viel Kalifornien.